top of page
Museum aussen 021.jpg
Sachsen-Anhalt

Auf den Spuren sachsen-anhaltischer Geschichte

wolfgang-zerfass.jpg

Ein Beitrag von
Wolfgang Zerfass

Mitteldeutschland und insbesondere Sachsen-Anhalt gelten als eine der geschichtsträchtigsten Regionen in der Bundesrepublik. Man denke an das Wirken der Theologen Luther und Melanchton, die frühen Errungenschaften in der universitären Forschung, das kulturelle Erbe, das sich mit Komponisten wie Händel, Telemann und Bach verbindet. Auch die kriegerischen Auseinandersetzungen auf unserem Boden, wie verschiedene Bauernaufstände im Thüringischen, Halberstädtischen und Wernigerodischen oder die Schlachten um Magdeburg und bei Lützen im Dreißigjährigen Krieg, hatten großen Einfluss auf die folgenden gesellschaftlichen Entwicklungen. 


Bis heute stellt die sachsen-anhaltische Geschichte ein reiches Betätigungsfeld für Historiker und Archäologen dar. Der Sensationsfund der Himmelsscheibe von Nebra 1999/2002 hat der Geschichtsforschung weitreichende neue Impulse verliehen.
Grund genug, in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Unser Land“ auf einige dieser Ereignisse und die überregional bedeutenden Fundstätten im Land näher einzugehen. Wolfgang Zerfass,  Redakteur der MaM Mediaagentur Mitteldeutschland, sprach dazu einleitend mit dem Landesarchäologen Sachsen-Anhalts, Prof. Dr. Harald Meller.

20191126_ProfDrMeller_YvonneMostFotografie-7.jpg
Langeneichstaedt_liptak.jpg

Herr Meller, die Himmelsscheibe von Nebra, einer der größten Schätze im Landesmuseum für Vorgeschichte, steht auch im Zentrum der touristischen Route „Himmelswege“. Würden Sie etwas über die Bedeutung der fünf Stationen für die archäologische Forschung sagen?


Harald Meller: Verbindendes Element der fünf Stationen der „Himmelswege“ ist die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Himmel und dem Kosmos seit der Jungsteinzeit und der Bronzezeit. Die fünf Stationen sind das Sonnenobservatorium Goseck, Dolmengöttin von Langeneichstädt, das Ringheiligtum Pömmelte, die Himmelsscheibe von Nebra im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) und das Besucherzentrum Arche Nebra am Fundort der Himmelsscheibe.  Die früheste Station ist die Kreisgrabenanlage von Goseck, die mit ihren 7.000 Jahren als ältestes Sonnenobservatorium Europas gilt. Sie wurde vollständig ausgegraben und rekonstruiert.  Bei der Dolmengöttin von Langeneichstädt handelt es sich um einen Menhir, der 1987 bei Feldarbeiten entdeckt wurde. Er war als Deckstein in einem Steinkammergrab verbaut.  Die Einritzungen auf der lebensgroßen Sandsteinsäule lassen schemenhaft menschliche Züge erahnen. Der Menhir aus Langeneichstädt ist aus mehreren Gründen eine Besonderheit: Zwar kennen wir aus Sachsen-Anhalt eine vergleichsweise große Zahl von Menhiren. Doch nur die wenigsten von ihnen sind figürlich verziert. Das Ringheiligtum von Pömmelte war im späten dritten Jahrtausend vor unserer Zeit, am Übergang von der Jungsteinzeit zur frühen Bronzezeit das sakrale Zentrum der Region. Die monumentale Anlage wurde mehr als 250 Jahre lang genutzt. Sie ist in Größe, Aufbau und Funktion mit dem englischen Stonehenge vergleichbar, nur mit dem Unterschied, dass sie in Holzbauweise ausgeführt wurde.


Die Himmelsscheibe ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde des vergangenen Jahrhunderts. Sie zeigt die weltweit älteste konkrete Darstellung astronomischer Phänomene, die wir kennen. Seit ihrer abenteuerlichen Sicherstellung befindet sich die Himmelsscheibe von Nebra in der Obhut des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Saale). Darum ist es auch Bestandteil der touristischen Route „Himmelswege“. Die Arche Nebra ist das hochmoderne multimediale Besucherzentrum am Fundort der Himmelsscheibe. Es entführt Besucher und Besucherinnen auf eine spannende Reise in die Zeit vor 3.600 Jahren. 

Die physisch erlebbaren „Himmelswege“ haben es in Ihrem Hause nun auch in den digitalen Kosmos geschafft. Bitte stellen Sie doch das Projekt „eMuseum Himmelswege“ kurz vor. Welche medialen Kommunikationsmöglichkeiten werden dort für die Wissensvermittlung genutzt?


Harald Meller: Das „eMuseum Himmelswege“ ist etwas ganz Besonderes, weil es versucht, für jeden etwas zu bieten. Herzstück sind die sogenannten „Archäostories“, eine Art Online-Ausstellungen zu Themen der Himmelswege und der Himmelsscheibe, die im wahrsten Sinne multimedial erklären und unterhalten: Neben Filmausschnitten und spannenden Geschichten kann man dort z.B. auch die Fundsituation der Himmelsscheibe in 3D entdecken. Für alle, die weiter forschen wollen, ist der Bereich „Dig deeper“ gedacht, also die Aufforderung, „tiefer zu graben“. Dort wird alles Wissenswerte zu den Ausgrabungen der einzelnen Himmelswegestationen präsentiert, von Grabungsplänen bis zu Fotos und Hintergrundinformationen. Aber auch das Spielerische soll nicht zu kurz kommen: Im eMuseum kann man sein archäologisches Wissen mittels Quizfragen testen, man kann Spiele in verschiedenen Schwierigkeitsstufen zum Thema Archäologie und Himmelswege spielen oder mit dem Film-Format „Frau Bode kocht…“ mal eine andere Koch-Show sehen, nämlich eine, die sich mit Essen in der Vorgeschichte beschäftigt. Mein Tipp: das Spiel „Doppelpack“, und dort den „Scheibensalat“ – das ist ganz schön knifflig, wer das schafft, hat meinen vollen Respekt!


Ein für Schulen und Vereine interessanter Teil des eMuseums ist unsere Downloadausstellung „Himmelswege“. Das sind schön designte Poster, die die Himmelsscheibe und die Stationen der Himmelwege erklären. Man kann die Dateien herunterladen und sich die Poster ausdrucken und so für Projekttage oder ähnliches eine kleine Ausstellung konzipieren. Schulen aus Sachsen-Anhalt können auch direkt beim Landesmuseum unter emuseum@lda.stk.sachsen-anhalt.de einen fertigen Ausdruck kostenfrei bestellen – solange der Vorrat reicht. Und wir wollen die Schätze des Landes natürlich auch international bekannt machen, deshalb gibt es die Posterausstellung in acht Sprachen. Das ganze eMuseum gibt es natürlich auch in englischer Sprache.

Das eMuseum der Himmelswege

Wandeln Sie auf den Spuren unserer Vorfahren und entdecken Sie die außergewöhnlichen Funde, Ausgrabungsstätten und Ausstellungen zu den Himmelswegen - jetzt auch vollkommen digital im "eMuseum".

Müssen die „Himmelswege“ im Gedenkjahr an Müntzer und den Bauernkrieg mit weniger Publicity auskommen? Der Ausstellungsbereich „Bronzerausch“ im Landesmuseum bleibt voraussichtlich bis Mitte des Jahres wegen Umbauarbeiten geschlossen. Auf der Homepage kündigen Sie eine Kabinettausstellung rund um das Geschehen vor 500 Jahren an. 


Harald Meller: Sachsen-Anhalt ist, wie gesagt, ein Bundesland mit einer ausgesprochen reichen Geschichte, deren Kenntnis durch die Archäologie immer wieder um wichtige Aspekte ergänzt wird. Dies ist auch der Grund für die Überarbeitung der Dauerausstellung zur Frühbronzezeit im Landesmuseum. Die Untersuchungen in Pömmelte und an anderen Orten haben in den letzten Jahren eine Fülle neuer Ergebnisse erbracht, die wir in der Ausstellung natürlich auch entsprechend darstellen möchten.

Wir arbeiten an zahlreichen Forschungsprojekten parallel und selbstverständlich erhalten alle die notwendige Aufmerksamkeit. Die Himmelswege sind für den Tourismus im Land von großer Bedeutung. Mit unseren Untersuchungen im Bereich authentischer Orte des Bauernkriegs, also den geplünderten Klöstern Himmelpforte und Kaltenborn sowie der Kapelle von Mallerbach, die eine wichtige Rolle beim Ausbrauch des Bauernkriegs spielte, erfassen wir weitere kulturhistorisch und überregional wichtige Fundstellen, die sich aufgrund ihrer guten Architekturerhaltung perspektivisch auch für eine touristische Erschließung und Vermittlungsarbeit vor Ort eignen. Sie treten nicht in Konkurrenz zu bereits bestehenden Objekten, sondern unterstreichen Sachsen-Anhalts Rolle als Kernlandschaft deutscher und europäischer Geschichte und schaffen weitere Anziehungspunkte für das Land.

Was glauben Sie persönlich? Wird es weitere bedeutsame archäologische Funde aus Jungsteinzeit und Bronzezeit geben, die den Verlauf der „Himmelswege“ verändern werden? Bleibt dies dem Zufall überlassen oder kann das die Archäologie in ihrem Sinne beeinflussen?


Harald Meller: In Sachsen-Anhalt finden sich einige der fruchtbarsten Böden Mitteleuropas. Dadurch war die Region in der gesamten Vorgeschichte dicht besiedelt – die Dichte an archäologischen Fundstellen ist enorm. Wir haben eine flächendeckende Bodendenkmalpflege, die die archäologischen Schätze des Landes sichert. Daneben wird am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt jedoch auch intensiv geforscht, was immer wieder für sensationelle Entdeckungen sorgt, die durch die Weltpresse gehen, wie im letzten Jahr etwa die lang verschollen geglaubte Mallerbacher Kapelle, deren Zerstörung am Beginn des Bauernkriegs steht. Ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren noch bedeutende Funde freilegen werden, die auch die Himmelswege ergänzen können. Mit dem monumentalen Fürstengrabhügel Bornhöck haben wir bereits einen Fundplatz ausgegraben, der das Potenzial hat, die Route der Himmelswege zu ergänzen. 

poemmelte_dietrich.jpg
bottom of page