
Halle
Im BUND-Umweltzentrum Franzigmark bei Halle leben gefährdete Haustierrassen. Einst wegen ihres Fleisches und Felles begehrt, liegt ihr Nutzen heute im Beweiden von Trockenrasen – und in der Pädagogik.
Reicht ein Projekttag nicht aus, sind Übernachtungen im Gästehaus möglich. Gern würde Sylvia Schuster weitere Zentrumsbewohner vorstellen, die ihren züchterischen Ursprung in Halle haben: Die Cröllwitzer Puten. Aber wo sind sie? Am Teich, wo Kammmolch und Ringelnatter wohnen? Beim Außenterrarium, wo sich die Kreuzottern sonnen? Die Gärtnerin im Tropenhaus hat sie auch nicht gesehen. Da - vorbei an Barfuß-, Tast- und Info-Pfad, hocken sie im Schatten eines Baumes bei den Pferden des Vereins „Zügelfrei“. Zu tun gibt es im Umweltzentrum immer. Wer helfen will, ist gern gesehen – als Schulpraktikant, Bundesfreiwilligendienstler oder im Ehrenamt. Und Neugierige sind an jedem ersten Sonntag im Monat - dem Besuchersonntag - willkommen. Manch älterer Gast kennt das Gelände noch aus DDR-Zeiten, als die Station Junger Naturforscher und Techniker „Juri Gagarin“ hier untergebracht war. Auch heute gibt es vier Arbeitsgemeinschaften: die Naturforscher-, die Tier-, die Garten- und die Umwelt-Werkstatt-AG.
Ein lohnendes Ausflugsziel ist die Franzigmark allemal. Denn das ist das Schöne an der Natur: Langweilig wird’s nie.

Auch das Sachsenhuhn ist stark gefährdet, besonders der gesperberte Farbschlag.

Ein Beitrag von
Barbara Mann
Hoch über der Saale erstreckt sich nordöstlich von Halle das Landschaftsschutzgebiet Franzigmark. Fast 200 Jahre lang boten die steppenartigen Flächen, feuchten Senken und steilen Porphyrfelsen ideale Bedingungen als Truppenübungsplatz. Landwirtschaft hatte keine Chance, und so wuchsen und gediehen im Schatten des Militärs zahlreiche Pflanzen- und Tierarten.
Inzwischen betreibt auf einem Teil der Fläche der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) ein Umweltzentrum, wo seltene und vom Aussterben bedrohte Haustierrassen leben. Wie das Russenkaninchen, weiß mit roten Augen und an kälteempfindlichen Stellen schwarz. Nur Zwergkaninchen sind kleiner.
Besuchern des Zentrums könnten zunächst zwei Laufenten-Männchen begegnen; sie hoffen auf weibliche Gesellschaft. Oder ein stolzer Hahn mit gesperbertem Farbschlag samt Hühnern steht am Empfang - das Sachsenhuhn, laut Roter Liste stark gefährdet. Um 1900 im Erzgebirge gezüchtet und an karge Bedingungen gewöhnt, fühlt es sich in der Franzigmark ebenso wohl wie die Thüringer Waldziegen: Robust und widerstandsfähig, eignen diese sich bestens zum Beweiden der Steilhänge. Dieses Beweiden dient – so widersprüchlich das klingt – dem Erhalt seltener Pflanzen. Werden Trocken- und Halbtrockenrasen regelmäßig „abgegrast“, verbuschen sie nicht, und so kommen dort auch Gewächse wie Kuhschelle und Goldstern ans Licht, die sonst verdrängt würden. Deren Blüten wiederum locken Schmetterlinge und Insekten an – zur Freude von Sperbergrasmücke, Neuntöter und anderen Vogelarten…

Gut zum Beweiden der Steilhänge in der Franzigmark geeignet: Thüringer Waldziegen.
BUND-Regionalverband Halle-Saalekreis
Umweltzentrum Franzigmark
Franzigmark 6
06193 Petersberg bei Halle OT Morl/Alaune
Telefon: 0345 68257606
E-Mail: mail@bund-halle.de
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag, 10 bis 14 Uhr
Besuchersonntag: jeden ersten Sonntag im Monat, 11 bis 16 Uhr
facebook.com/Franzigmark
instagram.com/umweltzentrumfranzigmark/
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Die kleinste Rasse gleich nach den Zwergkaninchen: Das Russenkaninchen.
Wie können eigentlich Haustierrassen aussterben? Nun, wenn Nutztiere nicht mehr nützen, werden sie nicht mehr gezüchtet. Und irgendwann sind sie weg. So wäre es beinahe dem Deutschen Karakulschaf ergangen. Der Agrarwissenschaftler Julius Kühn hatte vor rund 120 Jahren einige Karakule aus Mittelasien nach Deutschland - genauer: an sein Tierzuchtinstitut nach Halle - bringen lassen und mit anderen Rassen gekreuzt. Einst wegen ihres kleinlockigen Felles begehrt, wandelte sich die Mode, und nur dank weniger Züchter starben Deutsche Karakulschafe nicht aus. Nun setzt man im Umweltzentrum ihre Zucht fort. Als uralte Haustiere sind sie laut Koordinatorin Sylvia Schuster „sehr menschenbezogen“ - und damit ideal für all die pädagogischen Projekte, die das Umweltzentrum Kindergärten und Schulklassen anbietet. Für Kinder sei es immer ein Erlebnis, den Tieren in das Fell zu greifen, sie zu riechen, zu beobachten und zu füttern.